Das Zauberpferd

    Petra und Paula, auch Paulinchen genannt, gehen oft und gerne reiten. Am Stadtrand befindet sich ein großes Reitergehöft. Dort kann man für 8 Euro eine ganze Stunde lang in der herrlichen Umgebung reiten, und das ganz allein, denn die beiden Mädchen konnten schon gut reiten.

    Als sie wieder einmal an einem Samstag zum Reiterhof kommen, steht außen angebunden ein seltsames, weil schwarz – weiß - geschecktes Pferd. Erst fiel es gar nicht so auf, aber immer wenn sie von neuem zu dem Pferd hinsahen, war das Fell wieder anders gescheckt, als würden sich die Flecken immer wieder neu anordnen. „Paulinchen, fällt dir das auch auf?“ Paula dreht sich zu ihrer Schwester mit der Frage im Gesicht, was hat die denn schon wieder? „Was soll mir auffallen?“ „Na schau dir doch mal dieses Pferd genauer an. Jedesmal, wenn ich hingucke, sieht das Fell wieder anders aus.“ Paula schaut und schaut nochmal und zieht dann ihre Stirn in Falten. „Du hast recht, das ist ja komisch. Komm, wir nehmen heute mal dieses Pferd!“ „Aber das ist doch so groß!“ „Hab dich nicht so, zu zweit haben wir das im Griff.“

    Sie fragten und bekamen nach einigem Zögern dieses gescheckte Pferd. Nachdem sie es gesattelt hatten, setzte sich die kleinere Paula mit ihrer Schwester Hilfe in den Sattel und Petra führte das Pferd. Kaum waren sie vom Hof und alleine, blieb dieses Pferd stehen. Petra zog, aber es rührte sich keinen Millimeter von der Stelle. Nach zwei weiteren Versuchen wollte Petra schon richtig anfangen zu schimpfen, doch da schaute sie dem Pferd ins Auge und ihr wurde ganz komisch zumute. Ihr war, als hätte sie einen Kloß im Hals. Paulinchen rutschte auf dem großen Pferderücken hin und her. „Petra, was ist los? Geht es nun weiter oder wollen wir hier Wurzeln schlagen?“

    Petra machte eine schnelle Handbewegung und Paula verstummte. Ihr war, als würde das Pferd zu ihr sprechen. Ganz deutlich hörte sie die Worte in ihrem Kopf: „Ich habe auf euch beide gewartet. Nehmt beide Platz auf meinem Rücken, wir machen eine Reise, die ihr nie vergessen werdet.“

    Petra bekam runde Augen. Das Pferd wurde zusehens kleiner, so das sie bequem aufsteigen konnte. Dann wurde es wieder größer, schüttelte sich ganz merkwürdig, und ehe sie sich versahen, hatte es an den Seiten große Flügel mit weißen Federn bekommen. Ein Pegasus, staunte Petra und konnte es gar nicht fassen. Wieder hörte sie die Worte in ihrem Kopf: „Festhalten, ganz doll festhalten!“ Petra umklammerte Paulinchen und drückte ihre Beine gegen den Rumpf des Pegasus. Schon hob es von der Erde ab – und sie flogen. Sie flogen tatsächlich. Die Wiese und der Weg unter ihnen wurden immer kleiner, sie waren richtig in der Luft. Langsam bewegten sich die Flügel des Pegasus auf und ab.

    Immer höher ging es. Schließlich hatten sie die Wolken unter sich, die Sonne schien von der Seite, es sah herrlich aus. Petra dachte an den Urlaub vor zwei Jahren. Da waren sie nach Mallorca geflogen. Aus dem Flugzeugfenster sah es genauso aus. Nur das ihnen jetzt der Wind um die Ohren wehte und die Sonne auf den Wangen kitzelte. War das schön. Sie sahen die Stadt unter sich. Wie klein doch alles war.

    Paulinchen dachte daran, wenn sie jetzt die Leute auf einem fliegenden Pferd sehen, wie albern das aussieht. Und wenn sie es erzählen, glaubt ihnen das sowieso keiner. Auch sie hörte die Worte des Pegasus in ihrem Kopf: „Keiner sieht uns, ich bin doch ein Zauberpferd. Ihr werdet auch niemanden davon erzählen. Dann bleibe ich auch euer Zauberpferd und wir können noch viele Reisen machen.“

    Petra drehte sich zu ihrer Schwester um und sie nickten sich zu. Das sollte ihr Geheimnis bleiben. Es war einfach wundervoll. Sie kehrten auf den Reiterhof zurück, sattelten ihren Pegasus ab und gaben ihn dem Trainer zurück. Petra fragte: “Wo haben sie denn dieses Pferd her, letzte Woche war es noch nicht da?“ „Wir haben es vom Zirkus bekommen. Es hat seine Kunststücke verlernt. Übrigens, es heißt Pegasus.“

    Die Mädchen schmunzelten und gingen nach Hause. Am nächsten Morgen schauten sie sich an und fragten sich, ob sie das alles nur geträumt hatten. Nach der Schule rannten sie zum Reiterhof und suchten Pegasus. Ja, da stand er. Sie streichelten seinen Hals, tätschelten ihn, und dachten wieder, eigentlich ist er doch ein ganz normales großes Pferd. Doch da war wieder diese Stimme in ihrem Kopf: “Na, habt ihr Lust auf ein neues Abenteuer?“

© PM 01/2002